Wenn man abnehmen möchte, dann ist es sinnvoll, auch mit Sport zu beginnen. Hier wird dem Sporteinsteiger häufig suggeriert, er müsste zuerst eine Pulsuhr oder einen Herzfrequenzmesser kaufen, bevor er mit dem Sport beginnen könnte.
Wenn man bedenkt, dass es solche Geräte erst seit 1983 auf dem Markt gibt, scheint das nicht so ganz zu stimmen. Im Folgenden werden die Vor- und Nachteile dieser Geräte für Freizeitsportler und Sporteinsteiger diskutiert, sodass jeder selbst entscheiden kann, ob er so etwas braucht oder nicht.
Sinn der Verwendung von Pulsuhren
Der Sinn hinter der Verwendung von Herzfrequenzmessgeräten liegt in der Möglichkeit, über Herzfrequenzen definierte Trainingsbereiche einhalten zu können. Für Anfänger gibt es nur einen sinnvollen Trainingsbereich: immer schön langsam.
Aber auch für Fortgeschrittene, für die die Definition unterschiedlicher Trainingsbereiche bereits sinnvoll ist, gilt, dass man der Anzeige der Pulsuhr leider nicht direkt ansehen kann, in welchem Bereich man sich gerade befindet.
Um den angezeigten Wert sinnvoll interpretieren zu können, muss eine zweite Größe bekannt sein: die individuelle anaerobe Schwelle (ianS), ersatzweise die maximale Herzfrequenz.Da die ianS nur in aufwendiger Leistungsdiagnostik bestimmt werden kann, verwenden Freizeitsportler häufig die maximale Herzfrequenz als Ersatz. Und da auch die maximale Herzfrequenz nicht so ganz einfach festgestellt werden kann, wird sie häufig über Formeln geschätzt.
Schätzung der maximalen Herzfrequenz
Die bekannteste Formel schätzt die maximale Herzfrequenz als HFmax = 220 – Lebensalter. Diese Formel ist auch in einigen Pulsuhren implementiert. Für einen 40-Jährigen würde also angenommen, dass seine maximale Herzfrequenz bei 180 liegen würde, für einen 60-Jährigen würde man 160 Schläge in der Minute als Maximum annehmen.
Die Formel kann also nur den mittleren Maximalwert über zum Beispiel alle 40-Jährigen oder über alle 60-Jährigen feststellen, nicht jedoch den individuellen Wert, der vom Mittelwert unter Umständen erheblich abweichen kann.
Und da noch hinzukommt, dass auch dieser Mittelwert von der Formel nur unzureichend erfasst wird, ist die Ungenauigkeit unter Umständen sehr groß. Abweichungen von 30 Schlägen in der Minute zwischen dem errechneten und dem tatsächlichen Wert sind durchaus möglich. Mit Abweichungen von 10 Schlägen muss man rechnen.
Empirische Untersuchungen zeigen, dass der Mittelwert der maximalen Herzfrequenz tatsächlich mit dem Alter absinkt, allerdings langsamer als von der Formel angenommen. Der Fehler in der Vorhersage des wahren Wertes steigt also mit dem Alter immer mehr an.
In den gleichen Untersuchungen wurde auch festgestellt, dass die individuellen Abweichungen vom Mittelwert sehr groß sind und dass es dafür keine Erklärung gibt, außer eben der individuellen Besonderheit.
Auch bei Verwendung verbesserter Formeln, die den Mittelwert besser schätzen, bleibt also ein erheblicher Fehler erhalten. Wer ernsthaft herzfrequenzgesteuert trainieren möchte, der sollte also seine individuelle maximale Herzfrequenz auch tatsächlich messen, nicht berechnen.
Interpretation der abgelesenen Herzfrequenzwerte
Wenn die maximale Herzfrequenz bekannt ist, dann kann der jeweils abgelesene Pulswert sinnvoll interpretiert werden, nämlich als prozentualer Anteil des möglichen Maximums.
Wenn sie nicht bekannt ist, dann ist der abgelesene Wert nur eine Zahl, die erstmal nichts weiter bedeutet, als dass das Herz eben so und so oft in der Minute schlägt. Die Interpretation eines abgelesenen Wertes als prozentualer Anteil des Maximums erlaubt die Zuordnung der jeweiligen Belastung zu einem Trainingsbereich und damit die exakte Einhaltung der Bereiche.
Dies ist für Leistungssportler, aber auch für ambitionierte Freizeitsportler sehr wichtig.
Trainingssteuerung für Sporteinsteiger
Sporteinsteiger müssen sich die Fähigkeit, in verschiedenen Bereichen zu trainieren, erst erarbeiten. Für sie ist zunächst nur wichtig, sich nicht zu überlasten.
Denn gerade Anfänger laufen oft Gefahr, in zu hohen Intensitätsbereichen zu trainieren, was zu Verletzungen und Erschöpfung führen kann. Beides führt häufig dazu, dass der Sport ganz aufgegeben wird.
Die Pulsuhr könnte dies verhindern, wenn eine objektive Interpretation der Zahlenwerte möglich wäre. Diese Interpretation setzt aber die Kenntnis der maximalen Herzfrequenz voraus. Die Messung der maximalen Herzfrequenz ist wiederum nur durch eine maximale Ausbelastung möglich, zu der Anfänger in der Regel nicht in der Lage sind.
Außerdem beinhaltet der Test gewisse medizinische Risiken, zum Beispiel durch unerkannte Herzfehler.
Bevor man sich also an durch eine einfache Formel generierten, wahrscheinlich fehlerhaften Werten orientiert, ist es besser, auf die Vorgabe von Herzfrequenzwerten ganz zu verzichten und sich auf sein Körpergefühl zu verlassen.
Denn da nicht bekannt ist, ob die durch die Formel behaupteten maximalen Herzfrequenzen nun höher oder niedriger als der wahre Wert liegen, kann auch nicht gesagt werden, ob die Orientierung an diesen Werten zu einer Unter- oder zu einer Überforderung führt. Statistisch ist eher mit einer Unterforderung zu rechnen, aber im Einzelfall ist das nicht bekannt.
Besser für Anfänger ist deshalb die Steuerung der Intensität des Trainings über die Atemfrequenz. Wenn man sich noch unterhalten kann und nicht außer Atem gerät, dann überfordert man sich auch nicht.
Solange man sich wohlfühlt, ist alles richtig. Diese Art der Trainingssteuerung hat den weiteren Vorteil, dass man lernt, wie sich die verschiedenen Belastungen anfühlen, sodass man sich nach einiger Zeit auf sein Körpergefühl verlassen kann.
Für Menschen, die abnehmen möchten, ist diese Orientierung am Körpergefühl ohnehin besser, denn sie müssen sowieso lernen, besser auf ihren Körper zu hören, der ihnen Hunger und Satt sein mitteilt.
Fettverbrennungszone?
Ein häufiger Grund für die Verwendung von Pulsmessern ist der Wunsch, in der „Fettverbrennungszone“ zu trainieren.
Dahinter steht der Gedanke, dass bei geringer Belastungsintensität der Anteil des Fettes an der verbrannten Energie besonders hoch ist. Das stimmt, in Ruhe ist der Anteil sogar besonders hoch.
Für das Abnehmen ist es aber egal, ob während des Sports Fett oder Kohlenhydrate verbrannt werden, es zählt nur die gesamte Energiebilanz. Man trainiert also besser im Wohlfühlbereich, der bei den meisten eine etwas intensivere Belastung bedeutet. Denn da werden mehr Kalorien verbrannt.
Sportanfänger sind also im Allgemeinen besser beraten, auf Herzfrequenzmesser (vorläufig) zu verzichten und stattdessen ihr Körpergefühl zu schulen. Natürlich kann man trotzdem mit Pulsuhr trainieren, man sollte sich aber (zunächst) keine Herzfrequenzwerte vorgeben lassen.
Falls das schwerfällt, muss man sich entscheiden zwischen kontraproduktivem Leistungsdruck und dem Motivationsfaktor Pulsuhr. Im Zweifel lässt man sie besser zu Hause.
Trainingssteuerung für Fortgeschrittene
Auch Fortgeschrittene und selbst Leistungssportler müssen nicht unbedingt mit Pulsuhr trainieren. Ein gut geschultes Körpergefühl ist besser als jeder technisch noch so perfekte Herzfrequenzmesser.
Wenn allerdings eine Leistungsdiagnostik durchgeführt wurde oder die maximale Herzfrequenz durch eine vollständige Ausbelastung ermittelt wurde, dann ist die Pulsuhr ein sehr sinnvolles Instrument zur Trainingssteuerung.
Berechnung von Trainingsbereichen durch Pulsuhren
Viele Pulsuhren berechnen Trainingsbereiche nach der oben beschriebenen Formel HFmax = 220 – Lebensalter. Diese Trainingsbereiche sollte man besser ignorieren, da sie nicht auf das Individuum angepasst sind.
Einige neuere Herzfrequenzmesser schätzen die Trainingsbereiche aus der Variabilität des Herzschlags. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Methode als genau genug für eine sinnvolle Trainingssteuerung erweist.
Kalorienverbrauchsanzeige
Viele Pulsmesser zeigen die verbrauchten Kalorien an. Diese Kalorienverbrauchsanzeige geht davon aus, dass man mit höherer Belastungsintensität auch einen höheren Puls hat, also mehr Kalorien verbrennt.
Allerdings wird man mit Verbesserung des Trainingszustandes dieselbe Leistung mit niedrigerem Puls erbringen, dabei aber trotzdem die gleiche Menge Energie verbrauchen. Die Pulsuhr würde in dem Fall behaupten, der Energieverbrauch sei geringer geworden.
Diese Kalorienangaben sind also maximal als grobe Orientierung zu gebrauchen.